Was ist ein Bioenergiedorf ?
In einem Bioenergiedorf wird das Ziel verfolgt, den überwiegenden Anteil der Wärme- und Stromversorgung auf die Basis des erneuerbaren Energieträgers Biomasse umzustellen.
Ein Bioenergiedorf deckt seinen Energiebedarf (Strom und Wärme mindestens zu 50% aus regional erzeugter Bioenergie. Die Bürger werden in die Entscheidungsprozesse eingebunden und tragen den Gedanken des Bioenergiedorfs aktiv mit. Die Bioenergieanlagen befinden sich mindestens teilweise im Eigentum der Wärmekunden oder der Landwirte vor Ort, die nachhaltig bereitgestellte Biomasse stammt aus der unmittelbaren Umgebung. Dadurch steigt die Wertschöpfung vor Ort. Maßnahmen der Energieeffizienz und Energieeinsparung werden regelmäßig geprüft und umgesetzt. Die Erzeugung von Wärme und Strom aus Biomasse kann durch die Nutzung anderer erneuerbarer Energien ergänzt werden.
Das Konzept eines Bioenergiedorfes hängt stark von den örtlichen Rahmenbedingungen ab. In landwirtschaftlich geprägten Regionen bietet sich beispielsweise eine Biogasanlage als zentrale Anlage des Energieversorgungskonzepts an. Landwirtschaftliche Betriebe können die benötigte Biomasse (Substrat) in Form von Silage, Mist, Gülle und anderem in ausreichender Menge bereitstellen. In forstwirtschaftlich geprägten Regionen kann ein Biomasseheizkraftwerk als zentrale Anlage geeigneter sein, da Biomasse in Form z. B. von Holzhackschnitzeln bereitgestellt werden kann. Diese Anlagen mit KWK laufen kontinuierlich und stellen somit immer eine bestimmte Menge Strom und Wärme bereit. Der Strombedarf eines Dorfes schwankt jedoch stark, abhängig von Tageszeit, Jahreszeit und anderem (Lastprofil). Da eine Speicherung von Strom im kleinen Rahmen sehr aufwendig ist (inzwischen aber auch im kleineren Maßstab durchaus machbar), wird der überschüssige Strom in das Stromnetz eingespeist. Die Regelleistung wird somit von den Stromnetzbetreibern erbracht, kann aber bei entsprechend dimensionierten Akku-Speichern auch völlig autark erfolgen. Der Wärmebedarf eines Dorfes schwankt noch stärker als der Strombedarf. Im Sommer wird über das Nahwärmenetz nur wenig Wärme für die Erwärmung von Brauchwasser abgesetzt, während der Bedarf durch Gebäudebeheizung im Winter auf ein Vielfaches steigt. Würde die zentrale KWK-Anlage entsprechend dimensioniert, würde ein großer Teil der zwangsläufig anfallenden Wärme im Sommer ungenutzt bleiben. Daher werden in der Regel Heizkessel wie z. B. Holzhackschnitzelheizungen installiert, die nur im Winter in Betrieb sind. Für die extremsten Lastspitzen an kalten Wintertagen kann zudem zusätzlich ein preiswerter Heizöl- bzw. Rapsmethylesterkessel installiert sein, so dass die Wärmeabnehmer über keine eigene Heizung mehr verfügen müssen.
Bioenergiedörfer haben spezielle Vor- und Nachteile, neben den Allgemeinen der Bioenergien:
Vorteile
– Größere Unabhängigkeit von konventionellen Energieversorgern und steigenden Preisen für Strom, Erdgas, Erdöl etc. Die Ausgaben für Energie bleiben zu einem großen Teil in der Region und fließen nicht ins Ausland ab.[55]
– Finanzielle Einnahmen: Durch den Eigenbetrieb von Anlagen kann die Gemeinde oder ein lokales Stadtwerk Einnahmen und Gewinne erzielen. Im Fall von Bürgeranlagen profitieren die Einwohner direkt, bei Anlagen, die durch kommerzielle Investoren betrieben werden, kann die Gemeinde mit Gewerbesteuern rechnen.[55]
– Lokale Beschäftigung: Installation, Wartung und Betrieb Erneuerbarer-Energie-Anlagen bedeuten häufig Aufträge für lokale Betriebe wie z. B. Handwerker, Servicetechniker oder Rohstoffzulieferer.
– Imagegewinn: Erneuerbare Energien stehen für eine moderne, fortschrittliche Energieversorgung. Wettbewerbe wie die „Solarbundesliga“ zeigen die Innovationsfreudigkeit von Kommunen.
– Viele Gemeinden nutzen ihr Engagement im Bereich Erneuerbare Energien als Tourismus-Magnet. Das Bioenergiedorf Jühnde in Niedersachsen oder die Energielandschaft Morbach in Rheinland-Pfalz beispielsweise ziehen sehr viele Menschen an, die sich ein Bild davon machen wollen, wie sich eine Gemeinde energieautark machen kann.[55]
– Neue Perspektiven für die Region: Da Erneuerbare-Energien-Projekte häufig in ländlichen Regionen realisiert werden, bedeutet die daraus resultierende wirtschaftliche Dynamik auch, dass junge Leute vor Ort verstärkt Perspektiven sehen und die Landflucht abnimmt.
– Planungshoheit: Besonders bei Photovoltaik-Freiflächenanlagen verfügen Kommunen über die zentrale Planungshoheit. Sie bestimmen den Rahmen der Umsetzung.
Nachteile
– Es sind zunächst hohe Investitionen notwendig, die sich erst nach mehreren Jahren amortisieren.
– Das Konzept funktioniert nur, wenn ein nennenswerter Anteil der Einwohner teilnimmt und sich an das Nahwärmenetz anschließen lässt.
Als erstes Bioenergiedorf machte sich Jühnde 2005 für eine eigenständige Wärme- und Stromversorgung auf der Basis von Biomasse auf den Weg. Heute sind auf www.wege-zum-bioenergiedorf.de 118 Bioenergiedörfer registriert. Hinzu kommen 53 Dörfer, die sich auf dem Weg zum Bioenergiedorf befinden. Die Anzahl der Dörfer, die sich mit dem Gedanken eines Bioenergieprojektes auseinandersetzen, ist mit ca. 400 Kommunen aber noch um ein vielfaches größer.
Erste Eindrücke wie ein komplett energieautarkes Dorf funktionieren kann bietet die Gemeinde Feldheim im Fläming nef-feldheim.info
Ein sehr gutes Beispiel für die Nutzung von Bioenergie ist auch die dänische Insel Samsø, siehe folgenden Bericht.